Texte von mir

1984 bin ich zum ersten Mal gebeten worden, die Einführung zu einer Ausstellung zu halten. Die Künstlerinnen Conni Theis und Eva Sjödahl-Essén stellten in den noblen Geschäftsräumen einer Wiesbadener Medienberatungs-Firma die Resultate einer gemeinsamen Skandinavien-Reise vor. Seitdem habe ich das immer wieder gerne und insbesondere für Künstler und Künstlerinnen getan, deren Arbeit ich über einen langen Zeitraum verfolgen und damit auch im Wesentlichen verstehen konnte, und die häufig heute noch zu meinem engeren Freundeskreis gehören.
Meine kunsthistorische Hausarbeit zur Erlangung des 1. Staatsexamens bei Prof. Hans-Jürgen Imiela in Mainz 1988 über den Radierer Otto Coester markierte auch den Beginn einiger Veröffentlichungen, insbesondere, weil sich das Clemens-Sels-Museum in Neuss und dann der Düsseldorfer Kunstverein zu ihren jeweiligen Coester-Ausstellungen auf meine Vorarbeit stützten. Einige weitere Veröffentlichungen sind gefolgt und im Anhang aufgelistet.
Meine Mitgliedschaft im Kunstverein Langenfeld seit 2004 und insbesondere meine Aufnahme in den Rotary-Club Düsseldorf Süd 2007 haben mich dazu inspiriert, meine Vortragsambitionen zu verstärken. Nicht nur, aber besonders gerne suche ich mir Themen, die - obwohl sie nicht im Scheinwerferlicht tagesaktuellen Kunstinteresses stehen - doch viel zum grundsätzlichen Verständnis kultureller Entwicklung und künstlerischen Schaffens beitragen. Gerne durchforste ich dabei die Jahrhunderte auf der Suche nach Themen rund um mein eigenes Tätigkeitsfeld, die Emailkunst. 2010 habe ich meinen Vortrag über Byzantinische Emailkunst im Rahmenprogramm der Ausstellung Byzanz - Pracht und Alltag an der Bundeskunsthalle in Bonn gehalten. Aber auch Künstlern der Vergangenheit und Gegenwart, die mir zu wenig gewürdigt scheinen wie Adam Elsheimer oder meine beiden Lehrer und Freunde, Rolf Crummenauer und Bernd Schwering, gilt dann meine Wortfindungssuche.

Es folgt eine Auflistung der wichtigsten von mir verfassten Texte, Reden und Vorträge. Einige sind mit Leseproben versehen, die sich durch anklicken des kleinen Kreuzes an der rechten Seite öffnen und wieder schließen lassen.

Auch die Vorschaubilder öffnen sich durch anklicken.

Fisch und Vieles

Rede zur Ausstellungseröffnung von Conni Theis und Eva Sjödahl-Essén bei Innova-Consulting, Wiesbaden, 1984

Das Radierwerk Otto Coesters - Entwicklung und Motivwelt

Werkeinführung im Katalog zum 85. Geburtstag des Künstlers, Clemens-Sels-Museum, Neuss, 1988

Leseprobe

Dem Zeugnis großer Resignation gesellt sich in "Steine" (...) eine Formulierung gelähmter Energie hinzu. Am Horizont einer weiten Ebene erscheint ein monumentales Vogelwesen mit zu denkmalhafter Form erstarrten Flügeln. Gerade noch in kraftvoller Bewegung ist es zu Stein geworden, von unsichtbarer Macht gebannt. Die Verwandlung des Vogelwesens in eine seiner Natur entgegengesetzte Materie ist von leidvollem Widerspruch, der durch die triumphale Pose der gefangenen Kreatur ins Tragische gesteigert wird. Die dritte Arbeit, die "Rosette" von 1951 (...) , führt uns den Moment des Wiedererstarkens eindrucksvoll vor Augen. In einer der schönsten Vernis mou-Radierungen von großer Zartheit und hoher visionärer Ausstrahlungerhebt erhebt sich aus einem Meer lebloser Körper sonnengleich das numinose Symbol. Im lichtvollen Zentrum wird das Skelett des Rundkörpers sichtbar, Maßwerk und wandelbare Form zugleich. Besonders schön ist hier zu beobachten, wie die vielgliedrige Corona mit Lagen lockerer Striche so weit abgedunkelt wurde, dass ihre Elemente in tiefes Dunkel abzutauchen beginnen. Im Zusammenspiel von Dunkelheit und Licht versinnbildlicht sich Passion und Auferstehung, wie auch die mystische Rose selbst Symbol der sich ewig neu entfaltenden Welt ist.

Otto Coester - Das Oeuvre nach 1945

Textbeitrag zur Monografie des Künstlers mit Oeuvreverzeichnis, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, ISBN 3-925974-10-S, Düsseldorf, 1991

Hans Christian Rüngeler - Holzschnitte

Textbeitrag zum Katalog der Ausstellung Borghees 1, Schlösschen Borghees, Emmerich, 1993

Hans Christian Rüngeler

Rede zur Ausstellungseröffnung in der Galerie Gabriele Sauveur, Eppstein im Taunus, 1994

Matthias Beckmann - Aquarelle

Werkeinführung im Katalog zur Abschlussausstellung des Stipendium Junge Kunst der Hansestadt Lemgo, Lemgo, 1995

Zu der künstlerischen Arbeit von Hans Christian Rüngeler

Textbeitrag zum Katalog anlässlich der Verleihung des Paderborner Kunstpreis 1998, Kunstverein Paderborn, 1998

Licht - Blicke

Rede zur Ausstellungseröffnung von Hans Christian Rüngeler in der Galerie im Treppenhaus, Kassel, 2002

Leseprobe

Wenden wir uns zwei Werkgruppen des Künstlers zu, die auch an diesem Ort exemplarisch vertreten sind und das Gesagte veranschaulichen: Zuerst einmal die Gartenbilder. In ihnen spannt Rüngeler einen weiten Bogen zurück in die Tradition abendländischer Kunst und verknüpft das für ihn Alltägliche mit einer transzendenten, einer über dem Sichtbaren liegenden Bedeutungsebene. Ursprünglich hat hier jener Garten Modell gestanden, den Christine Rüngeler, die Ehefrau des Künstlers, vor einigen Jahren auf dem freien Feld vor dem Haus der Familie in der Eifel – in direktem Blick aus des Malers Atelier – angelegt hat, eine botanische Schatztruhe, ein sich im Lauf der Jahreszeiten chamäleonartig umformendes Geviert gleichnishaften Werdens und Vergehens, in gleichem Maße Nutzgarten und Kunstwerk. In der malerischen Behandlung verlieren sich diese Bedeutungen nicht, sondern finden sich in einem erweiterten Zusammenhang wieder. Der Typus des abgegrenzten, des im Bild freigestellten Gartens steht unmittelbar in der Tradition des “hortus conclusus”, des mittelalterlichen Paradiesgärtleins. Wer gelegentlich das Städelmuseum in Frankfurt besucht, sollte das wohl berühmteste seiner Gattung vor Augen haben, dessen Künstler wir nicht kennen.
Eingekleidet in Gewänder köstlichster Farben von der Ausstrahlung wertvoller alter Stoffe sind die Gartenbilder im Werk von Hans Christian Rüngeler Refugien, sichere Orte für jedes Ding der Schöpfung, das seinen Platz finden möchte und bereit ist, sich einer Ordnung anzuschließen, Schutzzone humanen Seins.

 

Bernd Schwering - Landschaftsmalerei

Rede zur Ausstellungseröffnung in der Streitkirche - Museum Kronberger Malerkolonie, Kronberg im Taunus, 2003

Leseprobe

Schwerings frühe Arbeiten sind konfrontativ, wir haben die versperrten, die verzerrten Ausblicke kennengelernt, die verbauten Landschaften. Im sechsteiligen Zyklus „Die Tage des Jahres“, der Anfang der Achtziger Jahre entsteht, zieht der Maler ein grandioses Zwischenresumée. Er wählt eine gesichtslose Straßenkreuzung an der Peripherie einer Stadt. Ungepflegter Randbewuchs, in die Tiefe fluchtende Laternen, links die abgeschnittene Fassade eines Bürogebäudes, rechts ein paar Bäume, in der Bildmitte eine Häusersilhouette, darüber freier Himmel – kein Ort, an dem man verweilen möchte, aber einer, den man zu kennen glaubt. Ein Allerweltsort, der so natürlich wirkt und doch kunstvoll zusammengebaut wurde aus zahlreichen Ansichten und Detailstudien. Diesen taucht er in unterschiedliche Atmosphären ein, die eine jeweils andere Ansicht des Gleichen bieten. Düster im Regen, launisch danach, geheimnisvoll in der Nacht, klar um die Mittagszeit, nebelverzaubert am Abend – ein exemplarischer Ringkampf zwischen Naturbeseeltheit und Naturbegrenzung, zwischen Romantik und Realismus, der durch die berückend schöne Malerei, die jedem Detail gleichermaßen zuteil wird, das Gesamtbild einer Welt entstehen lässt, die mit ihren Widersprüchen zu existieren versucht.

Allein ich...bin Adriaan - Moderne Emailkunst

Rede zur Ausstellungseröffnung von Adriaan van den Berk im Kunstverein Langenfeld, Langenfeld, 2005

Sabina Wörner - Weg und Werk

Werkeinführung im Katalog zur Ausstellung in der Galerie F.A.C. Prestel, Frankfurt am Main, 2005

Peter Lörincz - Landschaften und Stillleben aus der französischen Provinz

Rede zur Ausstellungseröffnung in der Galerie 75 Kubik, Düsseldorf, 2005

Leseprobe

Heute lebt Peter Lörincz, der Meister und langjährige Professor für Druckgrafik an der Kunsthochschule Mainz, den längsten Teil des Jahres in einem kleinen Dorf im Hinterland von Montpellier in Frankreich. Dort folgt er den vielen sich immer wieder verästelnden und neu zusammenfindenden Entwicklungssträngen seiner Motive, die ihn wie einen Jongleur durch das klassische Programm der bildnerischen Mittel und die europäische Kunstgeschichte treiben. Unablässig durchstreift er dabei - ganz im Sinne von Albrecht Dürers dictum "nulla dies sine linea" - mit Stift und Farben seine unmittelbare dörfliche und ländliche Umgebung. Zwei in Frankreich erschienene Bildbände mit den Titeln "Perceptiones Languedociennes" und "Cathédrale" dokumentieren die virtuosen zeichnerischen und malerischen Resultate dieser Erkundungsgänge. Mehr aber als nur die reine Perfektion des Handwerks belegen sie insbesondere auch das kompositorische und kombinatorische Spiel, das Lörincz lustvoll mit den vor dem Motiv erforschten Aspekten des Sichtbaren zu treiben imstande ist. Da können vor einer romantischen Bergkulisse, die er - Hokusai und Cezánne zitierend - immer wieder in seine Szenerien einbaut, plötzlich gigantische Zwiebelhälften wie nährende Brüste aufragen oder sich eine Knoblauchknolle unvermittelt in einem landestypischen Aschenbecher wiederfinden, der ihr zum Sockel wird, auf dem sie zum Denkmal, zur Allegorie des patriotischen Geschmackssinns mutiert. Im Erblühenlassen phantastischer Momente und subtiler Farbigkeiten gibt Lörincz, vor dessen neugierigem Blick sich kein Motiv jemals in Sicherheit wiegen kann, zu erkennen, dass es ihn bis auf den heutigen Tag immer wieder zu dem hinzieht, was ihn schon früh beschäftigt hat: Den "Grenzfällen der Realität".

Die Düsseldorfer Kunstakademie - Zentralgestirn der Kunst im Rheinland

Vortrag bei dem ich mich nicht mehr erinnere, zu welchem Zweck ich ihn geschrieben habe. Düsseldorf, ca. 2006

Leseprobe

In den gleichen Jahren nehmen zwei Karrieren ihre ersten Hürden, die wie keine anderen das Bild der Düsseldorfer Kunstszene bis heute prägen sollten. Die Bildhauerklasse des wieder eingesetzten Ewald Mataré, in der sich Günther Haese, Georg Meistermann, Erwin Heerich und Joseph Beuys eingefunden und entwickelt haben, ist vielleicht die bedeutendste in der Akademiegeschichte, nicht nur, aber mit einigem Anteil wegen Joseph Beuys, der 1961 gegen viele Widerstände selbst zum Hochschullehrer wurde. Mit seinen aus der weltweiten "Fluxus"-Bewegung abgeleiteten Happenings und seinem bildhauerischen und zeichnerischen Werk sorgte er schon früh für enormes Aufsehen und heftigste Diskussionen, die in gewisser Weise bis heute anhalten.1968 bezeichnete die Kunsthistorikerin Anna Klapheck ihn, der sich - vom internationalen Ruhm begleitet - mit seiner Kunst in umfassende weltanschauliche und politische Bereiche begab, als den "heimlichen Herrscher der Akademie".
Der aus Ostdeutschland stammende Gerhard Richter studierte Anfang der 60er Jahre, zusammen mit Sigmar Polke, in der Klasse des informellen Malers Karl Otto Götz. Von dort aus begab er sich auf einen solistischen Weg durch die mannigfaltigen Ausdrucksmöglichkeiten, die im Grundsätzlichen des Tafelbildes ihren kleinsten gemeinsamen Nenner haben sollten und zu durchdenken und auszuführen suchten, was alles bildwürdiges Thema von Malerei sein könne. Richter hat Fotos abgemalt, Fernsehbilder auf Leinwänden eingefangen, romantische Landschaften in fotografischer Unschärfe wiedergegeben, abstrakte Farbfeldmalerei durchgeführt und feurig-gestische Raumvisionen entworfen. Heute gilt er, der nach seiner Emeritierung sein Atelier von Düsseldorf nach Köln verlegt hat, als der berühmteste und teuerste lebende Künstler der Welt.
Der Kunstakademie Düsseldorf ist es gelungen, sehr schnell nach dem Ende des 2. Weltkrieges wieder an die Entwicklung der 20er Jahre anzuschließen, als man erkannt hatte, dass nur die Verpflichtung erstklassiger Künstler zur Erneuerung der Leistungen und zur Einlösung der eigenen qualitativen Erwartungen führen würde. Man hat es verstanden, aus den aktuellen Strömungen immer wieder führende Kräfte an das Haus zu binden, wobei seit den 70er Jahren eine deutliche Internationalisierung bei den Berufungen zu verzeichnen ist. Auch fällt auf, dass, wie in den Fällen von Joseph Beuys, Gerhard Richter, Erwin Heerich oder aus jüngerer Zeit des Fotografen Thomas Ruff, viele herausragende Professoren selbst ehemalige Studenten waren. Die Liste der einstigen und aktuellen Lehrer ist beeindruckend. Noch nicht genannt wurden für die Vergangenheit u. a. Joseph Faßbender, Theo Otto, Norbert Kricke, Rupprecht Geiger, Gerhard Hoehme, Klaus Rinke, Günther Uecker, Dieter Rot, Gotthard Graupner, Bernd und Hilla Becher, Konrad Klapheck, Name June Paik, Erwin Heerich und Werner Spiess, heute sind es u. a. Dieter Krieg, Tony Cragg, David Rabinowitsch, Jörg Immendorff, A. R. Penck oder der derzeitige Direktor Markus Lüpertz, um nur einige der bekannteren aufzuzählen.

Paula Modersohn-Becker, Wettbewerb zum 100sten Todesjahr

Rede zur Eröffnung und Preisvergabe des Paula Modersohn-Becker-Wettbewerb im Kunstverein Langenfeld, Langenfeld, 2007

Die fantastische Welt der Irene Weismantel

Rede zur Ausstellungseröffnung in der Galerie 75 Kubik, Düsseldorf, 2007

Leseprobe

"Welt"! ein gutes Stichwort, um sich der thematischen Seite zuzuwenden. Wir sehen Bilder, die davon berichten, was die Künstlerin von der Welt kennt und wie sie diese wahrnimmt. Es gibt eine Vielzahl von Bildern über Situationen, in denen sich viele Menschen zusammenfinden. Wir staunen über die Sportveranstaltungen, über die Diskothekenszenen, über Schneevergnügen, sommerliche Badefreuden und gut besuchte Gotteshäuser. Aber auch hier gilt: Es gibt die Dominanz bestimmter Vorlieben, aber immer auch sich davon Unterscheidendes. Auch kleine Gruppen und einzelne Figuren kommen vor: Zwei Astronauten beim Weltraumspaziergang, drei Jockeys auf ihren rassigen Pferden, die große Schäferhündin oder die schon erwähnte "Verliebte Frau". Es ist schwer zu unterscheiden, welche Motive die Künstlerin aus der unmittelbaren Anschauung nimmt und welche aus der mittelbaren, also aus dem Fernsehen oder von Abbildungen. Am ehesten kann man noch identifizieren, was wohl reine Erfindung ist, aber auch hier würde ich keine hohen Wetten eingehen. Letztlich spielt die Herkunft der Bildthemen auch keine so wesentliche Rolle. Sie gibt aber Auskunft über das Potential von Irene Weismantels Aufnahmefähigkeit und Aufnahmebereitschaft, mehr noch auch über das ihres Mitteilungswillens, denn der schlägt sich in auffälligen und Stil prägenden Momenten deutlich nieder. Die Künstlerin will die Details ihrer Szenerien optimal, das bedeutet "in ihrer typischsten Form", darstellen. Das zwingt sie in vielen Arbeiten, wie etwa den Stadionbildern, dazu, einen erhöhten Standpunkt einzunehmen, denn nur von hohem Blickpunkt aus lassen sich Tribüne und Spielfeld vollflächig und gleichzeitig erfassen. Durch die Vogelschau umgeht sie die perspektivische Staffelung von großen Dingen im Vordergrund zu kleineren im Hintergrund und kann die einzelnen Elemente mit geringen Überschneidungen auf der Bildfläche anordnen. Ganz spannend wird diese Besonderheit, wenn sie Figuren einfügt. Diese müssen, um sie in ihrer deutlichsten Stellung zu zeigen, in gestreckter Ansicht dargestellt werden. Wenn der Raum, in den die Künstlerin sie hineinsetzt, von oben gesehen ist, dann liegen sie auch schon mal quer im Bild oder stehen einfach auf dem Kopf - eben weil es die Logik so fordert. Typisch ist auch die Vermeidung von Rückenansichten. Sind diese eigentlich gefordert, weil die Figuren in das Bild hineinschauen, dann dreht Irene Weismantel ihre Köpfe oft zur Seite, um sie besser zeigen zu können. So starren die meisten Besucher eines Gottesdienstes plötzlich nach rechts, obwohl vor ihnen in der Mitte des Bildes der Priester vor dem Altar die Messe zelebriert. Kaum jemand beachtet ihn. Handelt es sich in diesem Fall wohl um einen Moment unfreiwilliger Komik, so erklärt eine solche aber nicht automatisch auch, warum viele ihrer Figuren, von Idyllen umrahmt, grimmig schauen. Wie belangloses Hinzufügen wirkt es auch nicht, wenn der aufmerksame Betrachter in weihnachtlichen Szenen plötzlich ein Teufelchen entdeckt, und schon gar nicht, wenn dieser, wie in einem meiner Lieblingsbilder, von zwei Polizisten flankiert, vor den Bundesgerichtshof geführt wird. Neben Heiterem und Komischem findet sich immer wieder auch Irritierendes, das Spannung erzeugt, gerade weil sich da im Schattenbereich des scheinbar Schönen und Fröhlichen etwas einnistet, das sich einer einfachen Erklärung entzieht.

Irene Weismantel zeigt in ihren Arbeiten die Fülle einer Welt, an der sie nur eingeschränkt teilnehmen kann, mit einer Freude und Intensität, die beinahe schon betroffen macht. Authentizität und bildnerische Klasse sind die Gründe dafür, dass man sich durch ihre Bilder von ihr beschenkt vorkommen kann.

 

 

                                                                                                            

Heinz Mack - Farbe und Rhythmus

Rede zur Ausstellungseröffnung im Kunstverein Langenfeld anlässlich der Einweihung der Skulptur Großer vertikaler Rhythmus auf dem Platz vor der Stadtsparkasse Langenfeld, Langenfeld, 2008

Leseprobe

Es ist auffällig, dass bei den Werken, die nicht dem Klang der frühen farbreduzierten Gemälde folgen, die ich hier - ihrer Anmutung wegen - als Grisaillen - als Graustufenmalerei, bezeichnen möchte, Farbflächen von großer Intensität aufglühen, deren Innenleben der Idee des Chromatismus folgt. Das bedeutet, dass benachbarte Farben in Stufen ineinander übergeleitet werden. Diese Stufen sind zwar eng genug um als zusammenhängend wahrgenommen zu werden, verfügen aber doch jeweils über ein eigenes Areal für jeden Ton, in dem er, quasi rein, wirken kann. Dabei folgt der Künstler häufig - wie sollte es bei einem dem Licht ergebenen Maler auch anders sein - den Farben des Spektrums, wie wir sie auch in einem Regenbogen anschaulich aufgeschlüsselt finden. So können warme zu kalten Tönen führen und helle zu dunklen, je nachdem, in welche Richtung das Spektrum abgelesen und welcher Ausschnitt der Abfolge gewählt wird. Jede Spektralfarbe - Heinz Mack spricht von Lichtfarbe - kann über die Dichte des Auftrags aufgehellt oder abgedunkelt werden. Dünnere Schichten unterschiedlicher Töne übereinander erzeugen zusätzlich zur allgemein bekannten unterschiedlichen Distanzwirkung verschiedener Farben räumliche Tiefe und kommen bei Heinz Macks jüngsten Bildern und insbesondere auch bei den aufwändigen Siebdrucken (...) zunehmend vor. Das malerische Oeuvre speist sich somit aus einer reichen Palette an reinen Farben, deren Variationen und aus der Nuancierung von Dichte und Transparenz. Auffällig ist, dass bei Heinz Mack erdige Farben nur bescheidene Gastrollen spielen, sie gehören nicht wirklich in sein Werk, weil sie zu weit entfernte Verwandte der Spektralfarben sind.

Objekt, Utopie, Seelenschau - Landschaft und ihre Darstellung in der Bildenden Kunst

Vortrag bei dem ich mich nicht mehr erinnere, für welchen Zweck ich ihn geschrieben habe. Düsseldorf, 2009

Leseprobe

Das Paradies der antiken lateinischen Phantasie war eine raue Bergwelt im fernen Griechenland mit Namen Arkadien, in der Vergil sein goldenes Zeitalter der bukolischen Unschuld ansiedelte. Fast immer beziehen sich landschaftliche Szenerien, die römische Paläste und Villen schmückten, auf diese in der Literatur entworfene Ideallandschaft. Die Wirkung jener naiven und rückwärtsgewandten Vorstellung ist bis weit in das 19. Jahrhundert nachweisbar, was erstaunt, weil aus Arkadien keine Hoffnung, sondern nur Sehnsucht entstehen konnte, lag doch das Ersehnte in der Vergangenheit – es war Utopie. Blicken wir auf die mannigfaltigen Möglichkeiten der Landschafsmalerei im Verlaufe ihrer Entwicklung, die ich für unseren abendländischen Kulturkreis – im Sinne einer aus eigenem Antrieb heraus entstandenen Zusammenschau von ehemals vereinzelten Elementen - bei den Reiseaquarellen Albrecht Dürers beginnen lassen möchte, dann sehe ich drei Triebe aus einer Frucht sprießen. Zum einen denjenigen, der zum Theoretischen hin tendiert wie die Bilder von Claude Lorrain, Joseph Anton Koch oder auch einige der Werke von Caspar David Friedrich und Phillip Otto Runge, die ihre Bilder zu idealen, der Antike oder dem christlichen Glauben huldigenden, Bühnen gestalteten. Als weiteres sehe ich den Angang der kontemplativen Betrachtung wie bei den Holländern van Goyen und Ruisdael oder dem Franzosen Camille Corot. Bei ihnen ist die Landschaft befreit von Verehrung und Botschaft, sie ist vom Menschen genutzte und gestaltete Natur, in der sich das Gebaute gelegentlich mühsam gegen atmosphärische Labilitäten behauptet. Hier, mitten in den stürmischen Böen an rauer Küste oder in der grillenzirpenden Weite einer mittäglich dahindösenden Landschaft, erweist sich Landschaft als Ort subjektiver Erfahrungsmöglichkeit. Sie belehrt nicht, aber lässt sich erfahren. Als dritten nenne ich denjenigen, dem in der zeitgenössischen Kunst eine besondere Rolle zukommt. Hier ist das Landschaftliche häufig nur noch Auslöser höchstpersönlicher Formulierungen, die nur bedingt Anspruch darauf erheben von anderem zu künden als von den Innenwelten ihrer Schöpfer. Jeder dieser Zweige – der das Gedankliche, der die Beobachtung oder der den individuellen Blick in den Mittelpunkt schiebende, hat seine Berechtigung, es gibt keine Hierarchie. Zusammen gehören sie dann doch wieder, weil sie vom andauernden, aber einseitigen Dialog zwischen Mensch und Natur künden.

Bernd Schwering - Betrachtung und Bewegung

Rede zur Ausstellungseröffnung in der Stadtgalerie Bad Soden, Bad Soden am Taunus, 2009

Ein Nachthimmel über Rom - der Maler Adam Elsheimer (1578 - 1610) und sein letztes Meisterwerk

Vortrag mit Powerpoint-Präsentation über den berühmten Barock-Maler aus Frankfurt und sein Meisterwerk, die Flucht nach Ägypten. Rotary-Club Düsseldorf-Süd und Kunstverein Langenfeld, Langenfeld, 2009

Leseprobe

Die Heilige Familie gehört zu den entzückendsten Ensembles, die Elsheimer geschaffen hat. Untersuchungen haben ergeben, dass der Künstler zuerst eine gängige Anordnung der Figuren im Sinne hatte mit einem vorneweg schreitenden und den Esel ziehenden Josef. Wo hätte dann aber das Licht herkommen sollen, denn eine das Jesuskind tragende und eine Fackel haltende Maria wäre nicht überzeugend darzustellen gewesen. Josef schreitet nun seitlich neben dem Esel und hält in der linken Hand den Kienspan, der gerade soviel Licht abgibt, dass wir der rührenden Geste teilhaftig werden, mit der er das Kindlein unter Zuhilfenahme eines Stöckchens aufzuheitern versucht. Die innige Bezogenheit dieser Schicksalsgemeinschaft findet ihren Widerhall in dem vertrauensvollen Seitenblick, den Maria Josef schenkt. Soweit das irdische Geschehen. Blicken wir nun in den grandiosen Nachthimmel, der ziemlich genau die Hälfte der Bildfläche füllt und sich in seinen gleichzeitig Licht und Dunkel spendenden Eigenschaften wie ein gütiges Schutzschild über die der Natur anvertrauten Reisenden ausbreitet. Das Licht des vollen Mondes strahlt von unten in eine lose Wolkenschicht, um in ihr zu verglimmen und einen tiefblauen Himmel freizustellen, in dem wir mehr und mehr Sterne funkeln sehen. Kontrapunktisch zum Mond steigt in der linken Bildhälfte die Milchstraße zum Bildrand an. Das alles macht einen zauberhaften, aber durchaus naturnahen Eindruck – Keith Andrews hat es transzendenten Realismus genannt. In der Nahsicht offenbart sich dann, dass der Mond eine schrundige Oberfläche hat, dass einzelne Sternbilder zu erkennen sind und dass die Milchstraße eine lineare Anhäufung unzähliger Sterne ist. Eine solche Darstellung war eine Sensation, so etwas gab es nicht bis zum Herbst des Jahres 1609. Mit viel Imagination könnte Elsheimer zwar der aristotelischen Vorstellung der Milchstraße gefolgt sein, als er über 1500 kleine und kleinste Pünktchen auf einen leicht erhellten Streifen setzte. Aber der Mond ist bis dahin immer als makellos glattes Gestirn dargestellt worden. Es wird nicht mehr lange dauern, bis durch die Schrift Sidereus Nuncius des Galileo Galilei diese Vorstellung korrigiert werden wird, zeigt sie doch in einer Illustration den Trabanten mit Hochebenen, Mondmeeren und Kratern. Die Publikation erscheint schon 1610 in Venedig, aber da ist Elsheimer bereits verstorben, er kann sie nicht gekannt haben. Etwa 1200 weitere Pünktchen verteilt Elsheimer als Sterne am nächtlichen Firmament. Das ist relativ großzügig, denn nur etwa 1000 kann man bei besten Bedingungen in dem Himmelabschnitt über Rom sehen, der sich über die Position der Milchstraße in Stellung zu einem Vollmond für den 16. September 1609 datieren lässt.
Eine Bemerkung noch zu den Sternbildern: mindestens drei kommen uns bekannt vor. Am deutlichsten der Große Wagen im rechten oberen Himmelsbereich, dann die Plejaden am linken Bildrand, und klein und schwach die Delphine zur Bildmitte hin orientiert. Sie alle befinden sich aber nicht an den Stellen im Vergleich zu Mond und Milchstraße, die sie zum entsprechenden Termin einzunehmen gehabt hätten, stimmen in Helligkeit und Größe nicht oder sind zu dieser Jahreszeit im erwähnten Himmelsabschnitt überhaupt nicht zu sehen. Daher ist anzunehmen, dass zwar Milchstraße und Mond an wenigen hintereinander gelegenen Nächten des Septembers 1609 fixiert wurden, aber der restliche Himmel aus Beobachtungen zusammengefügt wurde, die bis in den vergangenen Winter gereicht haben müssen. Das würde wiederrum gut zu der zeitraubenden Arbeitsweise des Künstlers passen. Da aber einige Beobachtungen mit dem bloßen Auge einfach nicht zu machen sind drängt sich nun eine weitere Frage auf: Hat Elsheimer vielleicht ein Fernrohr zu Hilfe nehmen können?                                                                                                                                                            

Dienende Kunst - das sakrale Werk von Prof. Rolf Crummenauer (1925 - 1999)

Artikel für den Band 45 der Schrifentreihe alte und neue Kunst des Verein für Christliche Kunst Paderborn e. V., Paderborn, 2009

Leseprobe

Schon 1984 hatte der Künstler für den Domschatz ein Prozessionskreuz entworfen, dass aus diesem besonderen Anlass als Standkreuz in die Kapelle überführt wurde. Der zeltförmig aufsteigende und in einer Bronzekappe auslaufende Sockel ist zu einem Viertel aufgeschnitten. So lässt er die Art der Fassung nachvollziehbar werden und öffnet sich zu einer immer brennenden Kerze hin, deren Standfläche als Verbildlichung des Übergangs halb in den Block eingelassen ist und halb hervorsteht. Das vom Kreuz als Zeichen des Heils ausgehende Licht kann durch die sektorale Öffnung in die Welt gelangen. Hoch überragt wird diese Konstellation von der zentralen Vierung. Dort ist ein kleines massives Goldkreuz zwischen zwei auf die Spitze gestellten Bergkristallscheiben eingebracht und wird nur durch deren Einschliff gehalten. Der Bergkristall, Symbol der Vollkommenheit und Medium kosmischen Lichts, soll dort entstanden sein, wo Gottes Finger die Erde berührt hat. Auch gilt er als das Material seines Thrones. Als über einen langen Zeitraum gewachsenes Gestein verweist er hier auf die Entstehung der Welt. Das Gold ist Material der Ewigkeit, benennt die Zeit, vor der das irdische Sein endet. Durch das Zusammenfügen von Bergkristall und Gold spannt sich damit ein gedanklicher Bogen von der Genesis zur Apokalypse unter der Allmacht und Allgegenwärtigkeit Gottvaters.
Die Gestaltung der Ludgeruskapelle hat Rolf Crummenauere als den Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn bezeichnet. Seine Verehrung für den “Löwen von Münster” als moralischer Lichtgestalt in braunen Jahren und der rechte Zeitpunkt, an dem die nötige Erfahrung gesammelt war um nur noch dieses Eine zu tun, haben ein Ensemble entstehen lassen, dessen materiale Symbolik und formale Strenge Resultate tiefer geistiger Durchdringung sind. Alles ist auf das Maß gebracht, welches sich aus Funktion, Gehalt und Umraum sinnvoll herleitet. Nichts weniger als selbstdarstellend ist diese Kunst, sondern dienend, aber groß.

 

 

 

 

    

miraculum lucis

Rede zur Eröffnung der gleichnahmigen Wettbewerbsausstellung im Kunstverein Langenfeld, Langenfeld, 2010

Kristian Rademacher-Dubbick und die Sammlung Krohne

Textbeitrag und Festvortrag mit biografischem Schwerpunkt zur Entstehung der Kunstsammlung der Fa. Krohne Messtechnik GmbH in Duisburg. Veröffentlicht in Kunstsammlung Krohne, ISBN 978-3-00-031033-1, Duisburg, 2010

Dienende Kunst - Das sakrale Werk von Prof. Rolf Crummenauer (1925 - 1999)

Vortrag mit Powerpoint-Präsentation für den Rotary-Club Düsseldorf-Süd, Düsseldorf, 2010

Byzantinisches Goldemail -Blüte und Niedergang in der Katastrophe von 1204

Vortrag mit Powerpoint-Präsentation über die Blütezeit der byzantinischen Emailkunst vom 9. bis zum 12. nachchristlichen Jahrhundert. Rotary-Club Düsseldorf-Süd, Kunstverein Langenfeld und als Beitrag zum Rahmenprogramm der Ausstellung Byzanz - Pracht und Alltag in der Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 2010

Leseprobe

Zu diesem Streben gehören auch die Versuche, dynastische Verbindungen herzustellen. Bedeutend für unser heutiges Thema ist der diesbezügliche, nach einigem Hin und Her letztlich erfolgreiche Versuch Ottos des Großen. Noch 968 hatte man Ottos Unterhändler Liutprand von Cremona vier Monate in Konstantinopel hingehalten und ihm auch noch, als er unverrichteter Dinge abzog, durch den Zoll die Luxuswaren wieder abnehmen lassen, die er vorher erworben hatte. 971 schickt Otto wieder eine Gesandtschaft, nun unter der Leitung des Kölner Erzbischofs Gero (979 – 985), um nochmals für seinen Sohn Otto II. Brautwerbung zu betreiben. Gero muss zwar akzeptierte, dass er nicht die Porphyrogenneta Anna, also eine in Purpur geborene, somit von kaiserlicher Abstammung seiende, Prinzessin mit nach Hause bringen kann. Immerhin gehört die zwölfjährige Theophanu, die nach langer Seefahrt mit ihrem Gefolge und in Begleitung Geros in den ersten Apriltagen des Jahres 972 südlich von Rom an Land geht, aber dem engeren Hofadel an. Eine Woche nach Ostern traut Papst Johannes XIII. den von seinem Vater zum Mitkaiser ernannten sechzehnjährigen Otto II. mit der Prinzessin aus dem fernen Konstantinopel und krönt die Griechin zur Mitkaiserin des lateinischen Westens. Bald darauf reist das junge Paar in Begleitung von Kaiser Otto dem I. und Kaiserin Adelheid durch das fränkische Herrschaftsgebiet. Wenige Tage, nachdem Otto der I. einen prächtigen Hoftag in Quedlinburg abgehalten hat, zu dem unter vielen anderen Gesandtschaften seines Reiches auch eine byzantinische Delegation angereist ist, verstirbt er im Alter von 60 Jahren in Memleben bei Naumburg an der Saale. Nun werden sein Sohn Otto II. und Theophanu automatisch das neue Herrscherpaar. 11 Jahre regieren sie gemeinsam, dann verstirbt Otto II. Theophanu gelingt es als alleine regierende Kaiserin durch politischen Sachverstand und kluge Bündnisse, das Reich bis zu ihrem Tod mit nur 31 Jahren im Jahre 991 zusammenzuhalten und für den 980 geborenen und damit anfangs noch minderjährigen Otto III. zu bewahren. Ihre letzte Ruhestätte findet sie in der Kirche St. Pantaleon in Köln, deren berühmtes Westwerk sie gestiftet hat. Theophanu steht geradezu als Synonym für den Einfluss der byzantinischen Kunst auf den Westen. Es versteht sich von selbst, dass in ihrer üppigen Aussteuer alles zu finden war, was den Reichtum ihrer Heimat ausmachte. Ich zitiere den Theophanu-Spezialisten Helmut Fußbroich: „Reichtum und Pracht konnte Konstantinopel konkurrenz- und mühelos mit seinen kostbaren und seltenen Seidenstoffen im Ausland demonstrieren. Wenn es galt, eine Braut repräsentativ auszustatten, dürfte das Ausfuhrverbot für die Purpurseiden, die nur Angehörigen des Kaiserhauses vorbehalten waren, kein Hindernis gewesen sein. Schmuck aus Gold, Steinen und Email, Toilettengegenstände aus Bergkristall und Elfenbein und prachtvolles Tafelgeschirr waren geradezu feste Bestandteile einer prestigewirksamen Brautausstattung“. Durchaus auffällig ist der Bestand oströmischer Kleinkunststücke in Gebieten, die zum bevorzugten Aufenthaltsraum der Kaiserin gehört haben wie Lothringen und Sachsen. Für die beliebte These, zu Theophanus Hochzeitsgefolge habe eine Gruppe von Künstlern, vorwiegend Architekten, Bildhauern und Goldschmieden gehört, gibt es allerdings keinen Beweis. Vielmehr müssen wir uns vergegenwärtigen, dass nicht nur die in Wolle, Leinen und Leder gekleidete fränkische Damenwelt genauestens auf die in elegante Seidengewänder gehüllte Erscheinung der angeblich bildhübschen Griechin achtete, sondern dass es ohnehin vielfältige Kontakte zwischen Ost und West gab und so ziemlich allem, was aus Byzanz kam, besondere Beachtung zuteil wurde. So erklären sich zwangsläufig byzantinische Einflüsse auf viele Bereiche des kulturellen Lebens. In der Bildenden Kunst zeigt sich das etwa in der Buchmalerei, der Elfenbein-Schnitzkunst oder auch in der Architektur (Hofkapelle Karls des Großen in Aachen).

Sigrid Delius - am farbigen Abglanz haben wir das Leben - Metall & Email

Rede zur Ausstellungseröffnung der Retrospektive im Kunstverein Coburg, Coburg, 2012

Leseprobe

Sicherlich die rätselhafteste Arbeit des gesamten Oeuvres ist jene, mit der die besonders arbeitsintensiven und großformatigen Werke einen letzten Höhepunkt erreichen. 20 zu einem Quadrat montierte, in mittleren und helleren Grüntönen schimmernde Grubenschmelzplatten bilden ein Spielbrett. Auf den einzelnen Emailtäfelchen entdecken wir entweder nur Farbräume oder gelegentliche Symbole, Zeichen, Szenen: hier ein Fischschwarm, dort eine Tür, eine Schlangenform, ein merkwürdiger Haken, ein Labyrinth. Vier ziselierte Kegel bilden die Figuren dieses geheimnisvollen Spiels und tragen Namen: Prinz, kleines Mädchen, alter Weiser, Narr. Das Spiel erzählt also von Jugend und Alter, von Hoffnung und Täuschung, von Sehnsucht und Einsicht, aber in den Symbolen auch von der Kraft der Gruppe, der Macht der Natur, vom sich Öffnen und Verschließen, vom sich Verirren und Zurückfinden – vielleicht von allem, was haften geblieben ist in den Jahren, in denen es galt, viele Menschen zu begleiten und zu fördern und auch selbst noch eigenen Ausdruck zu finden. Es wäre kein Werk von Sigrid Delius, wenn nicht auch hier das Maßvolle und die das Ensemble verbindende Ordnung der spielerischen Befragung Halt und Würde verliehe. Was es aber genau bedeutet und wie wir es erfolgreich spielen könnten, ich glaube fast, das wird sie uns nicht verraten – sofern sie es denn selber weiß.
Die Emailkunst (...) gilt heute im Konzert der unzähligen Ausdrucksmöglichkeiten, die sich die bildende Kunst geschaffen hat, kaum noch etwas. Zu handwerklich geprägt ist sie für den größeren Teil des zeitgenössischen Publikums und erfordert zu viel Erfahrung, zu viel Zeit und auch Geld für die teuren Materialien, als das sie jungen Gestaltern eine attraktive Perspektive bieten würde. Ein anderer Grund des Niederganges mag sein, dass ihre materiale Schönheit sich nicht gut mit einer Kunstwelt verträgt, die ästhetischem Zauber gegenüber misstrauisch ist. Vielleicht liegt aber der Hauptgrund für ihr Nischendasein darin, dass es nur einer kleinen Anzahl von Emailleuren in der Zeit nach 1945 gelungen ist, originäre Beiträge zu liefern, die auf gleicher Augenhöhe mit anderen wesentlichen künstlerischen Ausdrucksformen waren. Das Werk von Sigrid Delius gehört zweifelsohne in diese erlesene Auswahl, weil es nicht nur hohe Handwerkskunst zelebriert, sondern uns zu verstehen gibt, dass wir an seinem farbigen Abglanz etwas vom Leben haben.    

      

Bernd und Bernhard - der Maler und der Mönch

Vortrag mit Powerpoint-Präsentation über die Kunst und Kultur der Zisterzienser unter Bernhard von Clairvaux und ein Malerei-Projekt von Bernd Schwering zum gleichen Thema. Rotary-Club Düsseldorf-Süd und Kunstverein Langenfeld, Düsseldorf, 2013

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Bei jeder Gründung, Filiation genannt, ziehen zwölf Mönche und ein Abt, das Kreuz vor sich hertragend, zum neuen Bauplatz. Die Auswahl des Geländes erfolgt unter gewissen Gesichtspunkten. Anders als bei den Benediktinerklöstern in Italien, die oft weithin sichtbar auf exponierten Höhenlagen stehen, um sich den Menschen zu zeigen, aber auch, um der Malaria zu entgehen, die in den Flusstälern nistet, suchen die Zisterzienser mit Vorliebe Tallagen. Zum einen bieten solche Lagen mehr Sichtschutz und damit das Gefühl der Weltabgeschiedenheit, zum anderen finden sich hier die Wasserläufe, ohne die ein Kloster, das sich selbst versorgen will, nicht existieren kann. Natürlich sollte das Gebiet möglichst unberührt sein, aber es hat auch Fälle gegeben, bei denen die neuen Mönche ein wenig nachhalfen, um das Gebiet als unbesiedelt ansehen zu können. Waren die wenigen Grundbedingungen gegeben und hatten die Eigentümer eines Gebietes der Klostergründung zugestimmt, dann spielte es auch kaum eine Rolle, wie gut das vorgefundene Land war. Die zisterziensische Geschichte ist vielerorts die eines erstaunlichen wirtschaftlichen Erfolges, der sich aus mehreren Quellen speist. Zuerst aus der Anspruchslosigkeit und der Arbeitskraft der Mönche, dann aber – wir erinnern uns, sie gehörten zur Elite ihrer Zeit – aus ihrem in der Welt erworbenen Wissen und ihrer Fähigkeit, daraus Nutzen zu ziehen, Erkenntnisse niederzuschreiben und sie in der Gemeinschaft zu verbreiten. Manch ödes Gebiet ist von ihnen kultiviert worden und profitiert noch in unserer Zeit davon. Dabei haben sie nachhaltig gehandelt. Die verheerende Abholzung der Wälder Mitteleuropas ist ihnen gegen manche Meinung nicht zuzuschreiben. Vielmehr haben sie mit Verstand gefällt, Aufforstung betrieben und auf Landgewinnung durch Urbarmachung von problematischem Gelände gesetzt. War Holzwirtschaft ein wichtiges Betätigungsfeld, gab es deren doch viele und es macht den Anschein, als sei es ein Teil des zisterziensischen Selbstverständnisses gewesen, überall an der Spitze zu sein. Eines der Klöster in England hatte sich zum Beispiel auf den Abbau von Kohle spezialisiert und war das, was man heute einen nationalen Marktführer nennen würde. In der Wollproduktion war man bald ohnehin europäischer Monopolist. Die gewaltige Produktion entstand ursprünglich, weil für die Schreibstuben Felle gebraucht wurden um Pergament herzustellen. Herden von tausenden von Tieren im Klosterbesitz waren da keine Seltenheit, und automatisch verfügte man auch über Fleisch und Wolle. Bergbau, Metallverhüttung, Glas- und Keramik-Herstellung, Wasserwirtschaft, Weinbau und Fischzucht, Viehzucht und die ganze übrige Palette landwirtschaftlicher Produktion war die Basis sowohl der eigenen Ernährung als auch, da schnell Überschüsse erwirtschaftet wurden, des ertragreichen Handels – beste Qualität zu konkurrenzlos günstigem Preis, denn Lohnkosten gab es nicht. Prosperierende Klöster brauchten schnell auch Außenstellen, sogenannte Grangien, um die Erträge ihrer entfernteren Äcker zu sammeln. In der Regel hatten diese dann jeweils 200 bis 300 Hektar zu verwalten. Auch die Einrichtung von Stadthäusern sollte nicht lange auf sich warten. Dort konnte man die eigenen Produkte ohne den Aufwand eines Zwischenhandels vermarkten. Der gesamte Prozess von der Erzeugung bis zur Vermarktung wurde so kontrolliert und gesteuert. Exakte Buchführung diente dazu, bei allem den Überblick zu behalten, und so entwickelten die Zisterzienser letztlich Wirtschaftsmethoden, die, gepaart mit ihrem sich gegenseitig kontrollierenden Visitationsprinzip und der rasanten Ausdehnung, sie heute als den ersten europaweit agierende Handelsverband mit konzernartigen Strukturen erscheinen lassen. Und es wird letztlich auch deutlich, dass es nicht das beständig im Ringen um weltliche Macht sich verzettelnde Papsttum war, das eine Region voranbrachte, die wir heute Europa nennen, sondern dass es die monastische Kultur war, die dies mit ihrer Vernetzung bewerkstelligte.

 

Sybille Kroos - tausendschöne Kunst

Zwei Kurztexte über die Kunst von Sybille Kroos. Der erste über ihr Werk im Allgemeinen, der zweite über ihre Serie von multiplen Kunstwerken aus dem Jahr 2014, geschrieben für die Künstlerin zu vielfältigem Gebrauch wie z. B. als Pressetexte, Düsseldorf, 2014

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Seit ihrer Studienzeit an der Kunstakademie Düsseldorf, die sie als Meisterschülerin von A. R. Penck beendete, beschäftigt sich die Malerin Sybille Kroos mit der gegenständlichen Welt. Ihre Motive sammelt sie im Alltag und formt sie auf solch erstaunliche Weise um, dass dem Betrachter die Dinge, mit denen er sich tagtäglich umgibt, auf überraschende und humorvolle Weise so neu vor das Auge geführt wird, als sähen er sie zum ersten Mal. Aber es ist nicht alleine eine Welt konkreter Gegenstände, die eine künstlerische Verwandlung erfahren, es sind auch Gefühle, die zum Motiv von Bildern und Objekten werden. Diese Gefühle sind immer intimer und zugleich kollektiver Natur, können vom einzelnen nur auf sich selbst bezogen, aber auch als Teilhabe an einem allgemeinen und die Menschen untereinander verbindenden Zustand verstanden werden. Die zum Teil piktogrammartigen, jedenfalls aber auf eine prägnante und ornamentale Form hin verdichteten Motive der Flachreliefs, die in jüngster Zeit entstanden sind, spielen mit der Idee der immerwährenden Veränderung des Alltäglichen. Sie basieren auf einheitlichen Grundformen, die von Hand und mit immer neuen Farbkonstellationen bemalt werden. So verändert sich das Vertraute von Stück zu Stück und wird jedes Mal ein wenig neu erfunden. Letztlich ist es eine Kombination von Malerei und Plastik, aus deren spielerischer Verbindung tausendfache kunstvolle Variationen entstehen.

Himmel - Licht - Erde

Rede zur Ausstellungseröffnung von Hans Christian Rüngeler in der kath. Kirche St. Chrysanthus und Daria, Haan, 2015

Johann Melchior Dinglinger und seine Werkstatt - Hofgoldschmiede Augusts des Starken

Vortrag mit Powerpoint-Präsentation für den Rotary-Club Düsseldorf-Süd, Düsseldorf, 2015

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Die Idee eines Services, also der gestalterischen Einheit eines zur Nahrungsaufnahme benötigten mobilen Ensembles von Gegenständen, ist um das Jahr 1700 noch neu. Neu sind auch die exotischen Luxusgetränke Tee, Kaffee und Kakao. 1669 hatte der türkische Botschafter Soliman Mustapha Raca Paris besucht. Von da an wusste man, dass die als Medikament in Apotheken verkaufte Kaffeebohne auch als anregendes Getränk genossen werden konnte. Alles, was man in Paris hatte, wollte man auch woanders haben, und so begann der Siegeszug der trüben Flüssigkeit. Anfangs gab es noch keine sich unterscheidenden Tassen- und Kannenform je nachdem ob Tee oder Kaffee serviert wurde. Das lässt sich auch am Goldenen Kaffeezeug, wie wir es der Einfachheit halber kürzer nennen wollen, erkennen. Allerdings könnte es sein, dass die Deckeltassen mit Doppelhenkel für Trinkschokolade gedacht waren, denn dafür war wenigstens diese Form schon eingeführt worden. In Benutzung aber ist das Goldene Kaffeezeug ohnehin wohl nie gewesen. Sein Sinn war die staunende Betrachtung, es war l´art pour l´art, ein reines Kunstwerk. Wir sehen ein pyramidales, achsialsymmetrisch sich über mehrere Ebenen nach oben hin verjüngendes Formenspektakel in den dominierenden Farben Gold und Weiß, begleitet von einem lapislazuliblauen Sockelband und etwas Rot, Gelb und Grün in den emaillierten Partien. An den unteren vier Ecken außerhalb des Ensembles befinden sich jeweils Kredenzteller als Abstellflächen für die Tassen, darüber die eigentliche Grundebene mit den Glasflakons, den Spülschalen, den Blumenvasen und Henkeldosen, in denen der teure Rohrzucker von den westindischen, also karibischen Inseln aufbewahrt wurde. Theoretisch dienten die Flakons zur Aufbewahrung von den die Getränke aromatisierender Flüssigkeiten wie z. B. Rosenwasser. Die entzückenden, kunstvoll emaillierten Blumenvasen sind reine Zierstücke. Die Spülschalen dienten zu Reinigung der Tassen vom Kaffeesatz. Damals pflegte man den heißen Kaffee zuerst aus der Kanne in die Trinkschale und von dort zur Abkühlung noch auf die Untertasse zu kippen und ihn von dort aufzuschlürfen. So blieb der Satz in der Tasse. Auf der zweiten Ebene sind vier Figurengruppen aus Elfenbein angebracht, die in Gestalt der römischen Götter Neptun, Ceres, Merkur und Minerva die vier Elemente darstellen und wohl von einem externen Künstler geschaffen wurden. Natürlich birgt auch diese Anordnung eine Botschaft, denn wer die Gruppe überragt, gebietet sowohl über die Elemente als auch, wie Zeus im Olymp, über die anderen Götter. Zwei amphorenartige Deckelvasen ohne erkennbare Funktion überragen diese Ebene und rahmen die Prunkkanne ein, die den Gipfel des Aufbaus einnimmt. Sie ist auch das edelste Stück in diesem Ensemble der Superlative. Ein dichtes Rankenwerk aus Silber und Brillanten überzieht das goldene Gefäß und umspielt Emailmedaillons mit den Portraits und Brustbildern schöner Frauen. Zonen von feinstem glattpoliertem Senkemail gliedern horizontal das Vorwölben und Zurückspringen der vertikalen Silhouette. Die Tülle des Ausgusses endet in einem weißlichblauen Greifenkopf und erinnert an den polnischen Wappenvogel, den weißen Adler. Der schlangenleibige Henkel wird von einer brillantenbesetzten Echse gekrönt, die auf den Frosch starrt, der den Deckelknauf bildet und das Schild mit den Initialen AR hochhält. Augustus Rex - ich bin August, der König von Polen. Warum hier allerdings eine Echse vor einem Frosch erstarrt, ist mir unklar. Jedenfalls: Mehr politische Inszenierung geht nicht!